Neuigkeiten aus der Pressestelle des Bundesministerium der Justiz
Präsentiert durch die Anwaltskanzlei Bernd Wünsch
Titel:
Betreuungsrecht - Neuregelung hilft psychisch Kranken
Quellenangabe:
Bundesministerium der Justiz
Veröffentlichung am:
7. November 2012 (Mittwoch)
Nachricht:
- Erscheinungsdatum
- 07.11.2012
Zu dem heute vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf einer Formulierungshilfe zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:
Mit dem heute vorgelegten Entwurf wird Betroffenen konkret geholfen. Wenn jemand wegen einer Krankheit seinen freien Willen verliert, muss der Staat zum Wohle des Patienten helfend eingreifen können. Die Neuregelungen knüpfen an die bisherige Rechtsprechung an. Künftig können psychisch Kranke unter engen Voraussetzungen auch dann ärztlich behandelt werden, wenn ihnen die Fähigkeit zur freien Willensbildung fehlt.
Die derzeitige schwierige Situation für Betroffene und Ärzte ist entstanden, weil der Bundesgerichtshof in zwei Entscheidungen im Juni 2012 Ärzten auch solche Behandlungen untersagt hat, die notwendig für den Patienten sind. Mit den Neuregelungen sorgen wir dafür, dass Ärzte künftig nicht mehr sehenden Auges eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Patienten hinnehmen müssen.
Gleichzeitig werden die Belange des Betreuten gestärkt. Die Einwilligung des rechtlichen Betreürs in eine ärztliche Zwangsmaßnahme " wie auch die Unterbringung " muss ein Richter genehmigen. Eine ärztliche Zwangsmaßnahme ist nur im Rahmen der stationären Unterbringung zulässig und nicht ambulant. Der richterliche Beschluss zur Genehmigung einer Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme muss konkrete Angaben zur Durchführung der Maßnahme und zu ihrer Dokumentation enthalten. Die Daür für die richterliche Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme ist jeweils auf sechs Wochen begrenzt.
Zum Hintergrund:
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung am 20. Juni 2012 entschieden, dass es an einer hinreichend bestimmten Rechtsgrundlage für eine Einwilligung des rechtlichen Betreürs in eine zwangsweise medizinische Behandlung des Betreuten fehlt. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass ein unter Betreuung stehender Mensch gegen seinen natürlichen Willen nur auf der Grundlage eines " derzeit fehlenden " Gesetzes und unter eingeschränkten Voraussetzungen medizinisch behandelt werden darf. Dazu gehört insbesondere die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und bestimmter verfahrensrechtlicher Sicherungen. Wegen der derzeit fehlenden rechtlichen Grundlage können Menschen, denen krankheitsbedingt die Einsicht in die Behandlungsnotwendigkeit fehlt, häufig medizinisch nicht ausreichend versorgt werden. Dies kann unter Umständen zu erheblichen gesundheitlichen Schäden führen. So kann beispielweise bei einem psychisch Kranken eine akute Krankheitsepisode bei einer Nichtbehandlung einen schwereren und längeren Verlauf nehmen. Dies kann für den Betroffenen mit einem extremen Leiden verbunden sein. Zugleich führt eine fehlende Behandlung unter Umständen auch zu einer deutlichen Verlängerung der Unterbringungszeit einschließlich zusätzlicher unterbringungsähnlicher Maßnahmen wie z.B. Fixierungen.
Mit dem heute beschlossenen Entwurf soll durch Änderungen in § 1906 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), den der BGH bis dahin als hinreichende Rechtsgrundlage angesehen hatte, eine hinreichend bestimmte Regelung zur Einwilligung des Betreürs in die Behandlung des Betreuten getroffen werden. Die Änderungen werden durch verfahrensrechtliche Regelungen flankiert. Die ärztliche Zwangsmaßnahme soll näher bezeichnet werden.
Die Einwilligung des Betreürs in eine ärztliche Zwangsmaßnahme ist nur unter folgenden engen Voraussetzungen möglich:
• Die Einwilligung des Betreürs kommt nur bei einem krankheitsbedingt einwilligungsunfähigen Betreuten in Betracht;
• die Einwilligung des Betreürs muss zur Abwendung eines dem Betreuten drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens erforderlich sein;
• der erhebliche gesundheitlichen Schaden darf nicht durch eine andere zumutbare Maßnahme abgewendet werden können:
• der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme muss die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich überwiegen.
Der Entwurf einer Formulierungshilfe bildet die bis zu den jüngsten Beschlüssen des Bundesgerichtshofs bestehende Rechtslage möglichst nah ab. Eine Zwangsbehandlung darf nur im Rahmen einer stationären Unterbringung nach § 1906 Absatz 1 BGB erfolgen, eine ambulante Zwangsbehandlung bleibt weiterhin unzulässig. Wie die Unterbringung selbst, bedarf auch die Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme der gerichtlichen Genehmigung und unterliegt denselben strengen verfahrensrechtlichen Anforderungen. Dazu zählen Regelungen zur Einholung eines Sachverständigengutachtens und zur Bestellung eines Verfahrenspflegers. Zusätzlich sehen die verfahrensrechtlichen Änderungen Mindestanforderungen an den Beschluss über die Genehmigung der Einwilligung einer ärztlichen Zwangsmaßnahme vor.
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